BS28 beim Reeperbahnfestival
// Veranstaltungskaufleute
…. so heißen die Tagesseminare und Klassentagungen der Evangelischen Schüler- und Schülerinnen-Arbeit der Nordkirche, die seit Februar 2017 an der Beruflichen Schule City Nord in den Klassen der Ausbildungsvorbereitung für Migrantinnen und Migranten (AvM) durchgeführt werden.
Schülerinnen und Schüler der , heterogen zusammengesetzten AvM-Klassen müssen sich in kürzester Zeit auf kooperative Lernformen einlassen. Geflüchtete junge Menschen, die schon lange nichts mehr von ihrer Familie im Herkunftsland gehört haben, sitzen neben geflüchteten Jugendlichen, die mit ihren Familien in Deutschland leben. Viele leiden unter Kriegs- und Fluchterfahrungen. Die Angst vor Abschiebung ist für einige ein täglicher Begleiter. Manche leben sozial gut abgesichert, manche prekär und beengt. Gemeinsames Lernen ist schwierig, wenn einige Schülerinnen und Schüler nur wenige Jahre die Schule besucht haben, während andere in ihrer Heimat kurz vor dem Abitur standen. Diese unterschiedlichen Lebens- und Lernbedingungen führen nicht selten zu Konflikten in den Klassen – vor allem wenn es noch keine gemeinsame Sprache gibt, um diese aussprechen und konstruktiv lösen zu können.
Die Sozialpädagogin unserer Schule setzte sich darum maßgeblich dafür ein, ein Projekt außerhalb des Unterrichts zu etablieren, das es ermöglicht, geflüchtete Schülerinnen und Schüler für solche Konfliktsituationen zu sensibilisieren, um das Arbeitsklima langfristig zu verbessern.
In Zusammenarbeit mit dem Jugendpfarramt in der Nordkirche führen wir inzwischen regelmäßig Seminare zum Thema „Mensch, Respekt!“ – Gemeinschaft stärken durch. Dabei geht es darum, sich und andere kennenzulernen, mit den eigenen Gefühlen umzugehen, sie zu erkennen, zu benennen und zu kommunizieren. Die Jugendlichen setzen sich mit der Bedeutung von Respekt und respektvollem Umgang auseinander und welche Bedeutung dies für das Miteinander hat.
Die Angebote sind unabhängig von Religion und Weltanschauung. Ausgebildete Teamer, zumeist Schüler und Schülerinnen, Studentinnen und Studenten oder Auszubildende, die unterschiedlichen Konfessionen und Religionen angehören, leiten die Seminare. Die Lehrkräfte hospitieren und übernehmen die Aufsichtspflicht.
Im Februar und März 2017 fanden die ersten beiden Tagesseminare im Rahmen eines Pilotprojekts mit zwei Klassen an unserer Schule statt. Das Lernklima wurde bis dahin von allen Beteiligten als schwierig empfunden, Prüfungsangst erschwerte die Situation zusätzlich.
Die Jugendlichen hatten zunächst gar keine Lust auf so einen Tag: „Spiele, das ist doch was für Kinder.“ Es ist ein besonderes Verdienst der Teamerinnen und Teamer, dass sie die Gruppe vom Programm überzeugen konnten.
Mit Methoden aus der Spielepädagogik und themenzentrierter Interaktion näherte sich jede und jeder Einzelne und die jeweilige Lerngruppe gemeinsam ihrem Verständnis von respektvollem Umgang – mit Erfolg! Die Stimmung unter den Jugendlichen entspannte sich deutlich.
„Das war für mich der schönste Tag, seit ich in Deutschland bin!" – diese Aussage eines Schülers spricht für sich. Ein anderer Schüler war so begeistert, dass er selbst Teamer geworden ist und nun als Auszubildender die Seminare an unserer Schule mit gestaltet und leitet.
Am ersten Seminartag geht es vor allem um das respektvolle Zusammensein in den internationalen Lerngruppen. Ein zweiter Seminartag soll respektvolle Begegnungen mit Schülerinnen aus anderen Schulformen ermöglichen.
Im März dieses Jahres wurde dieser zweite Tag mit einer Klasse der Höheren Handelsschule durchgeführt. Nach anfänglichen Vorbehalten auf beiden Seiten haben die beiden Lerngruppen gut zusammengearbeitet. Vorurteile und Berührungsängste konnten abgebaut und das Selbstbewusstsein der jungen Menschen gestärkt werden. Schülerinnen und Schüler der Höheren Handelsschule waren beeindruckt von den Kompetenzen der Migrantinnen und Migranten: „Haben die schnell Deutsch gelernt! Die sind ja besser als wir!“
Im Herbst 2017 führten wir mit drei Klassen die ersten Klassentagungen durch, zweieinhalb Seminartage mit Übernachtungen. Alle waren begeistert: „Endlich machen wir auch einmal eine Klassenreise!“ Gerade für ältere Schüler und Schülerinnen, die mit ihren Familien in beengten Verhältnissen leben oder sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern müssen, ist dies auch eine Gelegenheit, für drei Tage einfach mal Jugendliche sein zu dürfen.
Das Seminarprogramm besteht aus fünf Seminareinheiten. Hierbei wechseln sich intensive Gruppendiskussionen und spielerische Einheiten ab. Schon nach dem ersten Tag war zu beobachten, dass sich das Klassenklima und auch die Beziehungen untereinander veränderten. Es entwickelte sich Grundvertrauen in den Gruppen, eine wichtige Voraussetzung für teamorientierte Spiele, die Körperkontakt und Sich-verlassen-können auf die anderen Gruppenmitglieder erfordern. Alle übernahmen Verantwortung für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, niemand wurde allein gelassen, auch nicht in der Mittagspause und nach der letzten Seminareinheit am Abend. Gerade in diesen freien Phasen zeigte sich, wie sehr die Gruppen zusammenwuchsen. Einige Jugendliche wurden hier erst „sichtbarer“, weil sie ihre in der Schule nicht erkannten Potenziale zeigen konnten. So erzeugte ein bisher nicht integrierter Schüler durch seine besonderen tänzerischen Fähigkeiten so viel Eindruck, dass er seitdem von allen im Klassenverband anerkannt ist. Und eine Schülerin, die erstmals in ihrem Leben in einem Schwimmbad war, wurde von allen anderen bei ihren ersten Schwimmversuchen in respektvoller Distanz ermutigt und bewundert.
Die vielen positiven Erfahrungen haben uns bestärkt, das Projekt an unserer Schule zu etablieren. Alle neuen oder neu zusammengesetzten Lerngruppen nehmen nun an den Seminaren teil. Die Jugendlichen schätzen es, Zeit und Raum außerhalb des Unterrichts zu erhalten, sich mit dem Thema Respekt und ihrem eigenen Verhalten in Konfliktsituationen auseinandersetzen und reflektieren zu können.
Natürlich gibt es immer noch Konflikte in den Klassen, aber sie werden inzwischen anders wahrgenommen und können einfacher und schneller gelöst werden.
Und auch für die Lehrerinnen und Lehrer ist es ein Gewinn, aus der gewohnten Aufgabe des Anleitens in die Position der Beobachtenden zu wechseln und die einzelnen Jugendlichen sowie die Dynamik in der Klasse aus einer neuen Perspektive zu erleben.
Die Atmosphäre und das Lernverhalten in den Klassen haben sich positiv verändert, und das Klima in der ganzen Abteilung ist spürbar geprägt von „Mensch, Respekt!“
Verfasserinnen des Textes: Team AvM-Dual, BS 28
Ansprechpartnerin für das Projekt: Britta Ratuschny, Sozialpädagogin, BS 28
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